Mehr als 200 000 Wanderschilder stehen in der Schweiz. Eidottergelb vor jedem Bahnhof, weiss-rot-weiss auf Bergpfaden und wer will und kann, weiss-blau-weiss auf einem Alpinwanderweg. Wegweiser, Weisungen aller Art, wir werden gelotst. Damit wir uns zurechtfinden, ankommen. Damit wir wissen, wo’s lang geht. Gelbe Rhomben: Aha, hier sind wir richtig, sind auf Kurs.
Warum nicht mal während eines Tages alles Schilder und Hinweise fotografieren und danach über diese Schildervielfalt nachdenken? Das Bild oben: Auf dem Gratweg zum Monte Lema im Malcantone.
Wir leben in einer beschilderten Welt. Unterwegs in einem Schilderwald. Werden orientiert, geleitet und umgeleitet mit Landkarten, Schildern, Hinweistafeln, Büchern, Zeitungen, Newsletter, Pushnachrichten, lokal, regional, national, global. Das Web und KI. Es fehlt an nichts. Experten, Expertinnen, Fachpersonen, zertifiziert, amtlich abgesichert, kennen sich aus, fachwissenschaftlich anerkannt, neuster Stand (des Irrtums), vermitteln Sicherheit, haben den Durchblick, sind sattelfast, wissen wo der Hammer hängt. Ein Lehrerkollege definierte seinen Job so: «Ich weiss etwas, was du nicht weisst. Und ich sage es dir jetzt.»
Diese von aussen kommenden Anweisungen und Belehrungen können wichtig sein. Aber bei dieser oft aufdringlichen Fülle an Anweisungen, Empfehlungen und Vorgaben von aussen, geht eine wesentliche Quelle der Orientierung vergessen. Die bin ich mir selbst. Ich mir. Mich erstaunt immer wieder, wie ich gar nicht an meine eigenen Einsichten und Erfahrungen denke. Ich vernachlässige mich selbst, eine wertvolle Orientierungsquelle.
Ich habe mich entschlossen, meinen Gedanken Zeit zu geben, sich zu zeigen. Dazu brauche ich etwas Zeit (immer Sonntagmorgen), einen Stift und Papier. Die eigenen Gedanken bekommen etwas von meiner Zeit, damit sie aus ihren Verstecken hervorkommen. Warten hilft, die leisen, inneren Stimmen zu hören. Ich bin oft überrascht, was sich mir zeigt, mich belebt und orientiert.